FAQ‘s zur Initiative Bürger*Asyl

 

Was ist Bürgerasyl?

In mehreren Städten haben sich Initiativen gegründet, die öffentlich ihre Bereitschaft ankündigen, Geflüchtete vor der Abschiebung in ihre Herkunftsländer oder vor Rücküberführungen nach dem Dublinverfahren zu schützen Der Schutz dieser Menschen vor einer erzwungenen Rückkehr in Krieg, Elend und Verfolgung, wird durch die Bereitstellung von privatem Wohnraum aus der aktiven Zivilgesellschaft erreicht. Auf diesem Weg erklären wir privaten Wohnraum zu einem Schutzraum.

 

Wie ist die Idee des Bürgerasyls entstanden?

Die Initiativen für Bürgerasyl haben sich aus der Auseinandersetzung mit den Sanctuary Cities und den Solidarity Cities in USA, Kanada und GB entwickelt. In Anlehnung daran und im Widerstand gegen die  Sammelabschie-bungen, sog. Abschiebecharter nach Afghanistan sind sie dann hier in Deutschland erstmals konkret geworden. (Zu den Hintergründen des Widerstands gegen die Sammelabschiebungen nach Afghanistan s. Die Position des Flüchtlingsrats Niedersachsen)

 

Was ist das politische Ziel?

Es geht es um das Gewähren von Schutz für jene die Schutz brauchen. Wir glauben fest daran, dass Menschen, die ihr zu Hause verlassen um in ein völlig anderes Land zu fliehen, gute Gründe dafür haben. Jeder Mensch, der Schutz braucht, sollte diesen auch bekommen. Wir trauen Menschen zu, selbst zu entscheiden, wann und wo sie in ihrem Leben Asyl benötigen. Solange es an einer richtigen Einschätzung der Konsequenzen einer Ab-schiebung für die Betroffenen fehlt, geht es darum den politischen Preis für Ab-schiebungen hochzutreiben und perspektivisch – wenn sich in vielen Städten Tausende in ähnlichen Initiativen beteiligen – solche unmenschlichen Abschiebe-praktiken politisch unmöglich zu machen. Das verstehen wir auch als Ausdruck einer neuen Bürgerrechts-bewegung der Solidarität. Wir verfolgen das Ziel einer offenen, solidarischen Gesellschaft. Für ein menschliches Bleiberecht für alle!

 

Ihr nennt es zivilen Ungehorsam?

Ja, genau. Wir würden es durchaus vergleichen mit Sitzblockaden gegen Nuklearraketen oder gegen Atommülltransporte und Tagebaubagger, oder sich Nazi-Aufmärschen in den Weg zu stellen. Bürgerasyl widersetzt sich offensiv dem Abschiebeapparat, indem öffentlich erklärt wird, dass notfalls die betroffenen Menschen aufgenommen und geschützt werden.

 

Wer wird mit der Initiative angesprochen?

Wir wollen bewusst die Breite der Bewegung ansprechen, die sich auch im Sommer der Migration hinter die Geflüchteten gestellt haben. Das waren GewerkschafterInnen, Menschen aus allen Kirchen, LehrerInnen, Menschen aus medizinischen und therapeutischen Berufen, auch Partei-VertreterInnen, SozialarbeiterInnen, KünstlerInnen. Es waren aber vor allem Menschen wie Du und ich, die das Wohl ihres Mitmenschen höher ansiedeln als das deutsche Passgesetz Wir sprechen alle Menschen an, die sich zu Recht empören, und jetzt einen weiteren gemeinsamen Schritt mit uns gehen wollen.

 

Wie kann ich die Initiative unterstützen?

Die Initiative könnt ihr auf vielfältige, euch jeweils passende Arten unterstützen. Ihr könnt die Idee kommunizieren und verbreiten, unsere Flyer verteilen, den Appell unterzeichnen,zu unseren Treffen und Veranstaltungen kommen uns schreiben und ansprechen. Sicher brauchen wir eure guten Gedanken und auch neuen Ideen, die uns flexibel und kreativ werden lassen.

Auch im Bürger*Asyl brauchen Geflüchtete Alltagsunterstützung beim Gang zum Arzt, zum Amt,… und Bürger*Asyle kosten, wie auch Kirchenasyle, Geld. Dann brauchen die Geflüchteten ein Zimmer oder eine Wohnung. Und eine prominente Adresse wäre ein guter Schutz.

 

Fürchtet Ihr keine juristischen Konsequenzen?

Die bisherigen (wenigen) Erfahrungen mit Bürger*asylen aus anderen Städten (Freiburg, Hanau) zeigen, dass durchaus versucht werden könnte das Verhalten der Beteiligten zu kriminalisieren. Aus diesem Grund möchten wir in gebotener Kürze auf die in Frage kommenden Normen eingehen: Das Aufrufen zur Unterstützung von Bürger*asylen könnte eine nach § 111 StGB strafbare Handlung sein. Dann müsste es sich bei einem Bürger*asyl um eine rechtswidrige Tat handeln. Im Raum steht hier eine Beihilfehandlung zu § 95 Auf-enthG […]. Die von uns praktizierte Form des Bürger*asyls stellt aus unserer Sicht jedoch keine solche Beihilfehandlung zu einem rechtswidrigen Aufenthalt dar. Da wir uns jedoch auch der politischen Situation bewusst sind versuchen wir das Risiko ei-ner etwaigen Strafverfolgung durch rechtsanwaltliche Unterstützung zu minimieren. Die Erfahrung lehrt – je breiter die Unterstützung für eine Kampagne, desto geringer die Wahrscheinlichkeit strafrechtlicher Konsequenzen. Sollte es dennoch dazu kom-men, bewegen wir uns im Bereich des zivilgesellschaftlichen Ungehorsams.  Gleichzeitig müssen wir auch in Verantwortung für uns selbst und die von Abschiebung Betroffenen alles daran setzen, dass keine Gefahrenlage entsteht. Hier sind also auch Kreativität und Kommunikation gefragt. Die Unterzeichnung des Appels ist in unseren Augen nicht strafbar. Trotzdem wird in Freiburg und Hanau gerade versucht, hieraus einen Aufruf zur Straftat zu machen, der im schlimmsten Fall eine Geldstrafe von wenigen Hundert Euro zu Folge hätte.

 

Ist Bürgerasyl vor allem eine öffentliche symbolische Kampagne oder geht es auch um reale Unterbringung bzw. Verstecken der Betroffenen?

Für uns hat die Initiative einen Doppelcharakter.

Zunächst geht es um den öffentlichen politischen Schritt.

Gleichzeitig soll die Initiative dazu beitragen, praktische solidarische Strukturen auf-zubauen bzw. weiter zu entwickeln. Niemand, der oder die den Aufruf unterzeichnet, verpflichtet sich, Menschen bei sich zu Hause aufzunehmen. Aber die Frage stellt sich natürlich sehr konkret, wie im Notfall die von Abschiebung Betroffenen zu schützen und wirklich auch in privaten Wohnungen zu beherbergen sind. Das ist aber eine Diskussionsebene, die wir vom politischen Aufruf getrennt halten und die entsprechend der lokalen Vertrauensstrukturen zu entwickeln ist.

 

Besteht nicht die Gefahr, dass es zu Hausdurchsuchungen bei den öffentlichen Unterzeichnerinnen kommt, um versteckte Menschen zu suchen?

Nein, bei den UnterzeichnerInnen wird es sicherlich keine Hausdurchsuchungen geben. Dazu ist der Aufruf zu allgemein gefasst. Zu Hausdurchsuchungen könnte es kommen, wenn UnterstützerInnen ihre Adresse für die Anmeldung Betroffener geben, um sie vor der Illegalisierung zu schützen oder sie von den Ermittlungsbehörden der Unterbringung bezichtigt werden.

 

Aber wenn eine Person in einer Wohnung gefunden würde, dann ist das doch illegal und eine Straftat?

Es kommt auf die konkreten Umstände an. Wenn der oder die Betroffene z.B. noch eine gültige Duldung hat - und das ist keine Seltenheit - dann ist es nichts anderes als Gastfreundschaft, jemanden zu beherbergen. In vielen Fällen wird es nicht möglich sein, die Bereitstellung einer schützenden Unterkunft zu kriminalisieren (s.o.). Konk-ret wird es erst dann, wenn die betroffene Person keinerlei Aufenthaltsstatus mehr hat. Insofern mögen nicht alle Bürger*Asyle legal sein, aber immer legitim.

 

Wie sehen Eure Kontaktstrukturen aus? Seid Ihr von potentiellen UnterstützerInnen wie auch von potentiellen Betroffenen direkt ansprechbar?

Ja, wir sind z per Mail für alle erreichbar. In der Praxis werden die Betroffenen über ihre RechtsanwältInnen und lokale Beratungsstellen, die konkrete Gefahrensituationen einschätzen können, zu uns Kontakt aufnehmen.

Wir werden mit potentiellen UnterstützerInnen in einen engen Austausch gehen. Hier sind  Vertrauensstrukturen in Form kleiner, überschaubarer Netzwerke bedeutend. Niemand soll eine Last alleine tragen.

 

Wie lässt sich der Schutz Asylsuchender, die von Abschiebung bedroht sind, konkret vorstellen?

Da die überwiegende Mehrzahl der Schutzsuchenden entweder Dublin-Abschiebungen darstellen oder von sog. Sammelabschiebungen betroffen sind, wollen wir dies hieran verdeutlichen:

 

Dublin: Bei Dublin-Abschiebungen geht es häufig um vorübergehende Schutzräume gegen das Abschiebe-Risiko in der sechsmonatigen sog. Überstellungsfrist. Ist diese Frist überwunden, tritt nationales Recht in Kraft und der Asylantrag Geflüchteter muss hier behandelt werden. Eine Dublin-Abschiebung ist abgewendet. Entzieht sich eine betroffene Person der Abschiebung und ist nicht in seiner/ihrer Unterkunft oder an seiner/ihrer Meldeadresse anzutreffen, kann diese Überstellungsfrist wegen vermeintlichem Abtauchen auf 18 Monate verlängert werden. Dagegen hilft dann effektiv doch nur das Kirchen- oder eben das Bürger*Asyl.

 

Sammelabschiebungen am Beispiel Afghanistan: In der Regel werden Daten und Orte dieser Abschiebeflüge bereits ein oder zwei Wochen vorher bekannt. Dann müssen potentiell von Abschiebung Betroffene so schnell wie möglich „in Deckung gehen“, also aus ihren angemeldeten Wohnungen oder Zimmern in geschützte Räume wechseln. Das heißt, es benötigt einen guten Überblick über die jeweilige rechtliche Situation der Betroffenen, um dieses Risiko einschätzen und dann vermeiden zu können, in der angemeldeten Wohnung frühmorgens überraschend zur Abschiebung abgeholt zu werden. Womöglich sind es bezüglich Afghanistans zunächst recht kurze Risiko-Zeitfenster, die mit Bürgerasyl zu überbrücken sind.

 

Aber besteht nicht die Gefahr, dass diejenigen, die abgeschoben werden sollen, noch früher in Abschiebehaft genommen werden?

Ja, diese Gefahr besteht und entsprechend versuchen die Behörden in vielen Bundesländern, neue Abschiebeknäste und –Gewahrsame aufzubauen. Doch vielerorts ist es (noch) nicht soweit und es gibt weder Kapazitäten noch ausreichend rechtliche Grundlagen, die Menschen über Wochen festzunehmen.

 

Ihr bezieht Euch in eurem Aufruf auf das Kirchenasyl sowie auf Schutzstrukturen in den migrantischen Communities?

Ja, zum Einen geht es uns um eine Wertschätzung und Unterstützung oder auch Ergänzung und Erweiterung des Kirchenasyls. Hier wird in vielen Kirchengemeinden praktische Solidarität gelebt. Zum anderen kommen Menschen mit Abschiebe-Risiko in ihrer großen Mehrheit bei Verwandten und Bekannten unter und werden von diesen - trotz erheblich größerem Risiko der Strafverfolgung - geschützt. Diese Community-Solidarität kann nicht stark genug gewürdigt werden. Das Bürger*Asyl kann hier politische Rückendeckung verschaffen und Kooperationen suchen.

 

Gibt es eine bundesweite Bündelung der Initiativen zum Bürger*Asyl?

Ja, die Idee ist, mit einer weiteren Protestform zur Mobilisierung und Verhinderung der „Charter der Schande“ (wie wir die Sammelabschiebeflüge nach Afghanistan nennen) beizutragen. Das Thema „Afghanistan-Abschiebung“ ist derzeit bundesweit am meisten umkämpft. Kaum jemand kann die Politik des Innenministeriums nach-vollziehen. Hier wollen wir noch 2018 gemeinsam eine große Initiative entwickeln.

 

Letzte Frage: Ihr stellt Eure Initiative für das Bürgerasyl in eine weitere soziale Perspektive?

Für uns steht das Bürgerasyl im Horizont des Konzeptes für eine Solidarische Stadt. Der Kampf gegen Abschiebungen von Geflüchteten und MigrantInnen ist darin eine zentrale Säule. In der Solidarity City, die wir auch in Göttingen anstreben, geht es um gleiche soziale Rechte für Alle, also z.B. um bezahlbaren menschenwürdigen Wohn-raum,  fair bezahlte Jobs, freien Zugang zu Kultur, Gesundheit und Bildung. Die So-lidarische Stadt steht für die Vision einer offenen, sozial gerechten Gesellschaft, die Spaltung und Ausgrenzung, Armut und Prekarisierung zu überwinden sucht und dies gleichzeitig auch in konkreten praktischen Initiativen lebendig werden lässt.

 

 

Links zum Weiterlesen:

 

Hanau: http://buergerasyl-hanau.info/

Osnabrück: http://nolageros.blogsport.eu

Freiburg: https://www.freiburger-forum.net

Göttingen: http://buerger-innen-asyl-goettingen.info/

Stuttgart: http://www.aktionbleiberecht.de/blog/wp-content/uploads/2017/03/Initiative-B%C3%BCrgerasyl.pdf

Baden-Württemberg: http://fluechtlingsrat-bw.de/files/Dateien/Dokumente/INFOS%20-%20Fluechtlingsarbeit%20BW/2017%20Kreise/2017-05-03-Text%20fuer%20Unterschriften.pdf

Solidarity Cities: https://solidarity-city.eu/de/

Netzwerk Asyl in der Kirche:  http://www.kirchenasyl.de